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Eine Freundschaft für das Leben

Als unsere ehemalige Stipendiatin und nunmehr Alumna Joanna 2012 zum ersten Mal auf ihre Mentorin Evelyn Deckert trifft, ahnen beide noch nicht, wie sehr diese Begegnung ihren weiteren Weg prägen würde. Das Mentorat entwickelt sich zum echten Glücksfall für beide Seiten. Im Interview mit Christoph Hoffmann, Pädagogischer Berater der Roland Berger Stiftung, sprechen Joanna und Evelyn Deckert darüber, wie sie diesen Weg aus ihrer jeweils persönlichen Sicht erlebt haben.

Joanna, die Initialzündung für dieses Interview ist ein Auszug aus deinem Bericht über deinen USA-Aufenthalt, der mit einem PROMOS-Stipendium unterstützt wurde, einem Aufenthalt, der ohne die Unterstützung deiner Mentorin Evelyn Deckert nie zustande gekommen wäre:

„Ich sollte erwähnen, dass ich wahrscheinlich nicht einmal in der Lage gewesen wäre, ein Auslandsstudium in Erwägung zu ziehen, wenn ich nicht eine so großartige Mentorin, Evelyn, hätte, die für mich mehr als eine Patin, eine Freundin ist, die mir sehr am Herzen liegt. Evelyn und ich haben uns über die Roland Berger Stiftung kennengelernt, in der ich sechs Jahre lang Stipendiatin war. Seit wir uns das erste Mal getroffen haben, hat sie mich auf jede erdenkliche Weise unterstützt. Bei meiner Bewerbung half sie mir immens, indem sie den obligatorischen Nachweis über 10 000,- Dollar erbrachte….Ich bin mehr als dankbar, dass sie mir genug Vertrauen entgegenbrachte, um diesen Schritt zu wagen und mir damit die Chance zu geben. Niemand in meiner Familie wäre in der Lage gewesen, da ich nicht aus einem finanzstarken Umfeld stamme.“

Da sind wir schon mittendrin in einer besonderen Beziehung Mentorin-Mentee, die 2012 ihren Anfang nahm und 2018 - mit Joannas Abitur - ihr Ende hätte finden sollen. Wie seid ihr zur Stiftung gekommen?

Joanna: Ich wurde in der Schule von einer Lehrerin angesprochen, die mir das Anliegen der Stiftung erklärte und meinte, ich könne dort genau die Unterstützung bekommen, die ich benötige. Nach Einreichung der Unterlagen erhielt ich dann die Einladung zum Aufnahmegespräch.

E. Deckert: Mein Mann und ich hatten unseren Sohn großgezogen, lebten in gesicherten Verhältnissen, und ich wollte gern über ein Ehrenamt etwas an die Gesellschaft zurückgeben. Eine Kollegin, die die gleichen Intentionen hatte, kam eines Tages mit dem Konzept der Roland Berger Stiftung. Die Idee hat uns überzeugt, so haben wir uns als Mentorinnen beworben, was sich als Volltreffer erwiesen hat.


Das alles ist ja nun elf Jahre her. Erinnert ihr euch noch an den ersten Kontakt?
Beide lachen.

Joanna: Ja, darüber haben wir uns schon oft unterhalten. Das war in einer Eisdiele mit meiner Mutter. Ich war aufgeregt, schüchtern, verlegen, unsicher, wusste nicht, was mich erwartete, wollte, dass alles klappt, hatte die Kapuze über den Kopf gezogen. Dann hast du (Evelyn) mit deinem Auftreten den Raum aufgehellt. Das war sehr schön.

E. Deckert: Ich war genauso aufgeregt, voller Erwartungen, wusste nicht, was kommt, hatte mir aber im Vorfeld Gedanken gemacht, wie ich als Zwölfjährige reagiert hätte, wenn mir so ein Erwachsener vorgesetzt worden wäre. Du hast auf mich genauso gewirkt, wie von dir geschildert. Deine Körpersprache hat das alles ausgedrückt. Aber deine Mutter hat die Situation entkrampft und das Eis war schnell gebrochen.


Elf Jahre sind ja eine lange Zeit. Lief da, rückblickend betrachtet, alles glatt, oder gab es auch mal Probleme, die ihr gemeinsam überwinden musstet?

Joanna: Ich habe die Zeit als durchweg positiv wahrgenommen.

E. Deckert: Ich erinnere mich da schon an zwei bestimmte Situationen: Als wir ganz zu Beginn des Mentorats mal gemeinsam im Auto saßen und ich versucht habe, mit dir ins Gespräch zu kommen, warst du völlig auf dein Handy konzentriert. Du hast zwar immer höflich geantwortet, warst aber erkennbar abgelenkt, sodass kein richtiges Gespräch zustande kam. Das hat sich aber dann ganz schnell geändert.
Dann kam die Zeit des ersten Verliebtseins. Dir wurde das alles zu viel und du wolltest das Stipendium hinschmeißen. Das alles hatte aber nichts mit uns beiden zu tun.

Joanna: Ja, das war mir alles zu viel, auch mit den Seminaren an den Wochenenden. Jetzt bin ich aber unglaublich froh, dabei geblieben zu sein.


Was waren aus heutiger Sicht für euch beide die größten Herausforderungen in eurer Beziehungsgestaltung?

Joanna: Mein Hauptproblem war, dass ich lernen musste, aus mir herauszugehen. Anfangs konnte ich auch mit dem Begriff Mentor nichts anfangen. Wollte der mich prüfen? Ich war deshalb gerade bei den ersten Treffen sehr angespannt und nervös. Mit der Zeit legte sich das aber und unser Verhältnis wurde sehr bald familiär.

E. Deckert: Da kann ich mich nur anschließen. Unangenehm waren für dich auch anfangs die halbjährlichen Förderplangespräche, die du als Prüfungssituation empfunden hast, die aber lediglich der Standortbestimmung dienten. Ich habe das nachempfinden können und dir die Angst davor nehmen wollen. Das ist ja dann auch gelungen. Aber weitere Probleme gab es nicht.


Wie erklärt ihr euch, dass euer Kontakt fünf Jahre nach Beendigung des Stipendiums immer noch so intensiv ist?

Joanna: Da war ich wohl sehr blauäugig. Ich dachte, dass das Standard ist und immer so weitergeht. Das musste einfach so sein. Ich wollte diese Beziehung, die in meinem Leben inzwischen zu einer festen Größe geworden war, nicht missen.

E. Deckert: Als uns bewusst wurde, dass das Stipendium zu Ende geht und damit auch unsere Mentoren-Mentee-Beziehung zumindest offiziell vorbei sein würde, haben wir das sehr bald thematisiert und festgestellt, dass wir gern weitermachen würden. Am Anfang war das ja nur eine Beziehung zwischen uns beiden, später kam dann mein Mann dazu, obwohl wir beide viel zu tun hatten mit Beruf, Betreuung der Eltern usw. und er erst etwas skeptisch war. Bodo war irgendwann mit im Programm und auf seine Art vollkommen involviert und mit dem Herzen dabei.

Joanna, was schätzt du an deiner Mentorin besonders?

Joanna: Sie hat eine zweite Mutterrolle für mich eingenommen und eine Version von Mutter in mein Leben gebracht, die ich vorher nicht gekannt hatte.


Evelyn, Mentoren sind auf den ersten Blick die Gebenden. Eine Beziehung funktioniert dauerhaft aber nur, wenn beide Seiten bereit sind, etwas einzubringen und vom anderen anzunehmen. Was konntest du für dich persönlich aus der Beziehung zu Joanna mitnehmen?

E. Deckert: Da gibt es viele Punkte. Zum einen hat sich mein Weltbild weit aufgetan. Ich bin anders als Joanna groß geworden und habe im Nachhinein schätzen gelernt, was meine Eltern für mich getan haben. Mein Leben ist reicher geworden. Joanna ist mir inzwischen auf so vielen Gebieten so weit voraus. Ihre USA-Aufenthalte, die vielen Jobs, an die sie sich herangewagt hat und die sie bewältigt hat, das sind Dinge, die ich mir nicht zugetraut hätte. Ich bin einfach grenzenlos stolz auf sie, und das ganz besonders, wenn ich bedenke, welches schüchterne, unsichere, in sich gekehrte Mädchen ich am Anfang des Mentorats vorgefunden hatte.


Wo seht ihr euch beide für die nächsten Jahre? Wie seht ihr eure (gemeinsame) Zukunft?

Joanna: Ich werde auf dem Gebiet der Amerikastudien im nächsten Sommer meinen Bachelor machen. Dann möchte ich den Amerikastudienmaster anschließen, werde in Leipzig bleiben, versuchen, so viele freie Termine mit Evelyn zu finden wie möglich, um freie Zeit miteinander zu verbringen, hier denke ich besonders an kulturelle Unternehmungen. Beruflich würde ich gern meinen Neigungen weiter folgen und afroamerikanische akademische Texte Korrektur lesen.

Evelyn: Ohne einen festen Plan zu haben, nutzen wir die sich bietenden Gelegenheiten, uns zu sehen. Über die modernen Medien ist ja vieles möglich. Heute haben wir z.B. wieder einmal zusammen gekocht. Wir werden uns nicht aus den Augen verlieren. Es bleibt einfach so, wie wir es seit Jahren praktizieren, und das ist gut so.


Ganz herzlichen Dank und euch beiden für die Zukunft weiter alles Gute!